Totholzgarten im Schwetzinger Hardt (Baden-Württemberg)

Der erste Totholzgarten in Baden-Württemberg wurde im November 2020 in der Schwetzinger Hardt eröffnet. Diese ist seit 2013 als regionales Waldschutzgebiet mit angegliedertem Erholungswald ausgewiesen und erstreckt sich über eine ca. 3.125 ha große Waldfläche.

Wie Dr. Matthias Rupp von der Forstlichen Versuchsanstalt Freiburg zu berichten weiß, dient das Waldschutzgebiet mit seiner für die Region typischen Kulturlandschaftsgeschichte als Modellregion für den Aufbau einer landesweiten Konzeption zu Erhalt und zum Aufbau lichter Wälder.

Das Waldschutzgebiet ist geprägt von markanten Dünenzügen und Flugsandfeldern. Es ist für den Arten- und Naturschutz von überregionaler Bedeutung aber auch als bedeutendes Naherholungsgebiet im Rhein-Neckar-Raum beliebt. Weiterhin soll dort eine nachhaltige Holzproduktion bei gleichzeitig naturnaher Waldbewirtschaftung sichergestellt werden.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist das Schutzgebiet in verschiedene Zonen aufgeteilt worden. Bann- und Erholungswälder stehen gleichzeitig neben Schonwäldern, in denen die Erhalltung und Weiterentwicklung der lichten Kiefernwäldern und offenen Sandrasengesellschaften im Vordergrund stehen.

Als weiteres Mosaikstück zur Schaffung diverser Lebensräume wurde der Totholzgarten eingerichtet. Diese Idee kam Dr. Rupp durch ein ähnliches Projekt in Schwabach. Auch wenn so ein Totholzgarten wie eine wilde Holzhalde aussieht, handelt es sich dabei tatsächlich um ein genau geplantes Projekt. Hier muss alles stimmig sein – von der Wahl des geeigneten Standortes bis hin zur Aufschichtung der verschiedenen Hölzer und Sträucher.

Beispielsweise wurde der Totholzgarten zwischen dem Dünenzug „Hoher Stein“ mit seinem lichten Weißmoos-Kiefernwald und einem trockenen lichten Kiefernwald der sarmatischen Steppe angelegt. Bei letzterem handelt es sich um ein Relikt aus Zeiten als sich zentralasiatische Waldgesellschaften in das Oberrheinische Tiefland ausbreiteten. Bei dieser Art der Kiefernwälder handelt es sich um besonders geschützte Waldbiotope. Von diesen gibt es bundesweit lediglich noch ca. 18 ha! Im Gemeinde- und Staatswald Schwetzinger Hardt liegt hiervon die größte zusammenhängende Fläche. Hier wachsen noch Arten, die bereits in der Roten Liste Baden-Württemberg als verschollen oder ausgestorben geführt werden, sie beispielhaft das Dolden Winterlieb. Aber auch das vom Aussterben bedrohte Grünblütige Wintermoss ist hier noch zu finden.

Im angrenzenden Dünenzug mit mageren und sauren Sandböden haben sich verschiedene Moose und Flechten angesiedelt. Entstanden im 19. und 20 Jahrhundert waren diese lichten Kiefern-Trockenwälder mit Magerrasen aufgrund der Übernutzung der Wälder durch Streunutzung und Waldweide noch sehr verbreitet. Jedoch führten die Sukzession nach Nutzungsaufgabe und die aktive Wiederbewaldung zum Rückzug dieser offenen Lebensräume und damit einhergehend zum Verschwinden verschiedener Arten wie Heidelerche und Sand-Strohblume. 

Im Totholzgarten selbst wurden verschiedene Baumarten wie Rotbuchen, Kiefern, Linden, entwurzelte spätblühende Traubenkirschen und die amerikanische Kermesbeere verbaut. Die mächtigen Stämme bilden dabei eine Art Kammer für die dünneren Gehölze und Sträucher. Durch den Entzug von Licht verkümmern die den Innenraum füllenden Neophyten. Der Holzstapel ist trichterförmig und sich selbst stabilisierend aufgebaut. Somit fallen die von den Xylobionten bearbeiteten und sich zersetzenden Hölzer nach innen und können niemanden verletzen. Im Frühjahr rechnen die Verantwortlichen mit ersten sichtbaren Zeichen einer Besiedelung durch Baumpilze und Käfer, Wildbienen, Echsen und andere Arten. Den Insektenlarven dient das Totholz als Lebensraum während die Adulten Blüten als Nahrung bevorzugen. Es ist deshalb in einem zweiten Schritt geplant, einen blühenden Naturgarten mit Gräsern und Wildblumen anzulegen. Das kontinuierlich durchgeführte Monitoring wird Aufschluss darüber geben, welche Pflanzen und Tiere sich im Laufe der Zeit im Totholzgarten ansiedeln.

Neben dem ökologischen Gesichtspunkt bietet der Totholzgarten auch einen waldpädagogischen Aspekt, denn der Totholzgarten liegt direkt an einem von Waldbesucher*innen stark frequentierten Weg. Über das Jahr hinweg können interessierte Erholungssuchende die Veränderungen am Totholzgarten „live“ miterleben.

Größtes Binnendünengebiet Süddeutschlands

Ein weiteres Projekt, das kurz vor der Umsetzung steht, ist das größte Binnendünengebiet Süddeutschlands und nimmt pflanzengeografisch eine Sonderstellung ein. In den Jahren zwischen 2013 und 2019 wurden im Verbundprojekt „Lebensader Oberrhein“ der NABU-Landesverbände Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz drei Dünen (Maulbeerbuckel, Saupferchbuckel, Franzosenbusch) auf dem Gebiet geöffnet. Der Forstbezirk Hardtwald plant nun in Zusammenarbeit mit der FVA in den kommenden Wochen eine ca. 1 ha große Sanddüne frei zu legen. Der Baumbestand der Düne, bestehend aus Kiefer und Buche, ist durch die Trockensommer der vergangenen Jahre verloren gegangen. Eine Wiederbewaldung durch Pflanzung ist an diesem Standort wenig erfolgversprechend. Wenn nichts unternommen wird, bleibt eine Fläche mit Kermesbeeren auf dem mit den Samen des Neophyts durchsetzten Boden zurück. Durch die Fällung der noch verbliebenen Bäume und die Abtragung des Oberbodens wird ein Sandlebensraum für hochspezialisierte Pflanzen und Tiere geschaffen. Um die Zielvegetation zu etablieren, sind in den Folgejahren weitere Pflegemaßnahmen notwendig.

Die beiden vorgestellten Projekte „Totholzgarten“ und „Dünenfreilegung“ sind beispielhafte, zur Nachahmung anregende Interventionen des Waldnaturschutzes, die zu einer vergrößerten Biodiversität beitragen und vor dem Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bieten. (Quelle: ForstBW)

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